Wenn man in einen gut sortieren Baumarkt geht, stellt man oft fest: Es gibt so gut wie keine Kreuzschlitzschrauben mehr. Hornbach ist da das beste Beispiel, dort fällt es mir immer extrem auf: Nahezu alle Schrauben haben einen Torx-Antrieb. Praktischer Weise hängt direkt an den Regalen auch ein günstiges Bit-Set mit 1-2 Torx-Bits. (Cross-Selling geht eben auch offline). Aber auch andere Baumärkte ziehen nach. Wir haben uns also gedacht, wir möchten einmal herausfinden, warum das so ist. Und haben dabei richtig viel zu den verschiedenen Schraub-Systemen gelernt.

Hinweis: Torx ist eine eingetragene Marke des US-amerikanischen Textron-Konzern. Das Patent ist zwar lange ausgelaufen, aber Name weiterhin geschützt. Der korrekte deutsche, generische Begriff wäre “Sechsrund”. Letzteres kennt aber wohl keiner, also bleibe ich beim Markennamen und benutze den Begriff für die ganze Kategorie. Übrigens, die Tatsache dass das Patent ausgelaufen ist – und jeder Bits und Schrauben dafür bauen kann – sollte auch etwaige Verschwörungstheorien aus dem Weg räumen, dass ein bestimmter Konzern davon profitiert, dass es in Baumarkt nur noch Torx-Schrauben gibt. Also muss es wohl einen besseren Grund geben und dem gehen wir mit diesem Artikel auf den Grund.

Eine Reise durch die Geschichte der Schraubenköpfe

Es gibt sehr viele verschiedene Schraubenantriebe und ich möchte ich nicht zu sehr damit langweilen, aber insgesamt vier verschiedene Schraubentypen habe ich herausgearbeitet, die ich besonders hervorheben möchte. Einer davon ist der Torx-Antrieb und der kommt als letztes. Er ist nämlich quasi die logische Konsequenz dieser Folge.

Schlitzschraube-Nachteile

Die Längsschlitzschraube oder einfach Schlitzschraube findet man heute eigentlich nur noch, wenn man alte Anlagen oder Möbel repariert. In neuen Konstruktionen verwendet man sie kaum noch.

Am Anfang stand die Längsschlitzschraube

Wir kennen sie alle, aber wirklich mögen kann man sie nur schwer. Was einmal ein innovatives Konzept war, hat heute einige massive Probleme. Eines davon ist die fehlende Zentrierung. Bei einer Schlitzschraube muss man den Schraubendreher oder den schweren Akkuschrauber von selbst zentrieren. Ist die Schraube nicht perfekt zentriert, eiert sie beim Schrauben. Das ist schädlich für das Material und nicht sehr angenehm bei der Arbeit. Ein anderes Problem ist dass es nur zwei mögliche Positionen zum Ansetzen des Bits oder Schraubendrehers gibt. Rutscht man also einmal aus dem Kopf, muss man den Akkuschrauber eine halbe Umdrehung (180 Grad) weiterdrehen, bis das Bit wieder in den Schlitz passt. Wir merken also für die Arbeit mit Elektrowerkzeug ist die Schlitzschraube völlig ungeeignet.

Vor- und Nachteile des Phillips Head Kreuzschlitzsystems

Vier Flanken statt einem Schlitz: Ebenfalls deutlich beim Phillips Head (kurz PH) zu erkennen, dass die Flanken zur Mitte hin Spitz zulaufen. Dies ist eine Art der Drehmomentbegrenzung zum Schutz der Schraube.

Die logische Konsequenz: Der Phillips Head

Wir sind beim nächsten Schraubenkopf und auch wieder bei einer Marke. Der Phillips-Head (man beachte die zwei ‘l’) hat übrigens gar nichts mit dem niederländischen Philips-Konzern (ein ‘l’) zu tun. Vielmehr geht es um die Firma des lange verstorbenen Henry F. Phillips (Wikipedia), der das Patent 1935 erwarb. Der Phillips Head ist ein klassischer Kreuzschlitz, aber immer noch nicht das, was wir heute umgangssprachlich “Kreuzschlitz” nennen. Beim Phillips Head werden die insgesamt vier Flanken zum Mittelpunkt hin immer dünner. Das hat zur Folge, dass beim Drehen einer Phillips-Schraube eine Kraft das Bit aus der Schraube herausdrückt. Beim Schrauben von Hand wirkt das wie eine Art Drehmomentbegrenzung. Beim Schrauben mit einem Akkuschrauber aber, kann die Drehmomentbegrenzung im Akkuschrauber dann nicht greifen. Vielmehr dreht das Bit im schlimmsten Fall in der Schraube durch und zerstört diese.

Phillips Pozidriv Kreuzschlitz Vor- und Nachteile

Die Vorteile der vorherigen Systeme vereint: Gute Drehmomentübertragung dank gerader Flanken und dennoch Schutz der Schraube durch vier “Nebenflanken” (kleine Dreiecke mit Spitze zur Mitte hin).

Das was wir Kreuzschlitz nennen: Der Phillips Pozidriv

Vergleich Phillips Head mit Phillips Pozidriv

Links der “moderne” Phillips Pozidriv (PZ) und rechts das ursprüngliche Patent, der Phillips Head (PH). Deutlich zu erkennen: Der Pozidriv (links) hat vier Hauptflanken und vier Nebenflanken. Die Hauptflanken haben immer die gleiche Dicke. Beim PH (rechts) gibt es nur die vier Flanken, diese werden zur Spitze hin immer schmaler.

Der Pozidriv oder Phillips Pozidriv (kurz PZ) löst dieses Problem. Wir nennen ihn umgangssprachlich einfach Kreuzzschlitz. Die vier Hauptflanken haben nun nicht mehr die Aufgabe, den Schrauber aus dem Schraubenkopf zu drücken. Die Flanken verlaufen parallel und werden nicht mehr zur Mitte hin dünner. Es findet also eine sehr gute Übertragung des Drehmoments des Schraubers auf den Schraubenkopf statt. Zusätzlich zu den vier Flanken gibt es aber noch vier zur Spitze zulaufende Dreiecke. Und diese haben genau die Funktion, die die Hauptflanken beim vorherigen Modell hatten. Wird die Kraft auf den Schraubenkopf zu groß, soll das Bit oder der Schraubendreher herausgedrückt werden, um die Schraube vor dem Abbrechen zu schützen. Folglich gibt es auch immer noch die Gefahr, dass das Bit des Akkuschraubers herausgedrückt wird und somit der Kopf “ausgefräst” und somit zerstört wird. Wir brauchen also wohl einen anderen Schraubenkopf.

Torx-Schrauben für optimale Kraftübetragung

Andere Aufgabe beim Torx-Bit. Die maximale Übertragung des Drehmoments, sowie eine einfache Nutzung sind ausschlaggebend. Eine Begrenzung des Drehmoments soll im Schraubenkopf nicht mehr stattfinden, das können moderne Akkuschrauber selbst.

Endlich kommen wir zum Torx – der modernste aller Schraubenköpfe

Wenn ich den Torx-Kopf modern nenne, meine ich nicht etwa, dass er der innovativste ist. Verglichen mit dem recht komplizierten System des Phillips Pozidriv (Drehmomentübertragung und Schutz der Schraube zu gleich) ist er viel schlichter und einfacher. Denn das Ziel des Torx ist – ähnlich wie beim Außensechskant – die maximale Drehmomentübertragung. Das Torx-Bit ist also genau dann ideal, wenn wir mit Akkuschraubern arbeiten. Der große Vorteil dabei: Die Drehmomentbegrenzung findet nicht mehr im Schraubenkopf statt, sondern im Werkzeug. Moderne Akkuschrauber können das Drehmoment sehr gut begrenzen. Die Schraube muss diese Aufgabe nicht mehr übernehmen.

Weitere Vorteile der Torx-Schraube

Ein netter Nebeneffekt entsteht durch die sechs (runden) Flanken. Damit das Bit herein passt, muss ich es also maximal eine sechstel Umdrehung drehen. Verglichen mit einer halben Umdrehung wie so noch beim Längsschlitz notwendig ist, ist dass eine enorme Verbesserung.

Was manche vielleicht bisher gestört hat, ist für mich noch ein Vorteil der Torx-Schraube: Es gibt immer nur genau ein Bit, das passt. Dadurch, dass der Schraubenkopf nicht konisch immer kleiner wird, sondern auf der ganzen Höhe die gleiche Größe hat, ist es nahezu unmöglich die Torx-Schraube mit einem zu kleinen oder zu großen Bit zu schrauben. Somit kann mir es nicht mehr wie beim “Kreuzschlitz” passieren, dass ich mit einem mehr oder weniger passenden Bit die Schraube zerstöre.

Zusammengefasst sind es also genau drei Vorteile, warum das Torx-Bit heute die beste Wahl ist: Maximale Drehmomentübertragung, durch sechs Flanken einfach mit Akkuschraubern zu bedienen und durch den Zwang zum passenden Bit ist eine Zerstörung des Kopfes ausgeschlossen.

Apropos Zerstörung: Ein Schwenk aus meinem Leben

Ich erinnere mich daran schon einmal eine Torx-Schraube zerstört zu haben: Der 18V-Akkuschrauber stand auf der Bohrstufe, die Drehmomentbegrenzung war also ausgeschaltet (es war eine große Schraube und sehr hartes Holz) und ich habe nicht wirklich darauf geachtet, wo ich hinkaure. Natürlich habe ich direkt eine andere Schraube getroffen. Was ist passiert? Der Torx-Antrieb hat sich nichts anmerken lassen, vielmehr ist die Schraube in der Mitte durchgebrochen. Das zeigt also wie gut ein solches System zur Übertragung der Kraft ist. In meinem Fall war es eher schon zu gut. Und mein Tipp an euch: Achtete darauf, wo ihr hinschraubt, vor allem wenn die Begrenzung ausgeschaltet ist. 🙂

Darum gibt es also kaum mehr Kreuzschlitzschrauben

Es ist ganz einfach. Für unsere heutige Arbeit, in der immer öfter Elektrowerkzeuge vorkommen, ist das Torx-System schlichtweg die beste Wahl. So einfach ist das. Klar ist so ein Wechsel immer umangenehm, aber manchmal muss man uns eben zu unserem Glück zwingen. Und der eine oder andere Baumarkt macht das nun. Vielleicht seht ihr das ja jetzt als weniger schlimm an, da ihr nun wisst, warum welche Schraubenart wie aufgebaut ist.